"Weiblichkeit und Männlichkeit" – Gender aus psychologischer Sicht
Landespsychologentag am 24.10.2009 in München
Die Genderthematik wird in den letzten Jahren vermehrt und mittlerweile auch entspannter in den Medien und in der Öffentlichkeit diskutiert. Von der zwar berechtigten, aber einseitigen Betrachtung der Benachteiligung der Frau in unserer Gesellschaft hat sich mittlerweile der Blickwinkel erweitert und verändert. Jetzt geht es nicht mehr um die Benachteiligungen und Gefährdungen der beiden Geschlechter, sondern um deren spezifischen Stärken und Fähigkeiten, die letztendlich ein konstruktives und freudvolles Miteinander ermöglichen.
Diplom-Psychologinnen und –Psychologen sind die Experten, die die künftigen Genderentwicklungen entscheidend mitgestalten können. Deshalb hat sich die Landesgruppe Bayern entschieden, sich an ihrem Landespsychologentag diesem Thema zu widmen. In Referaten und Präsentationen wurden sehr unterschiedliche Perspektiven vorgestellt und diskutiert.
Die Referentinnen und Referenten präsentierten folgende Themen:
Professor Dr. Dieter Frey, Universität München sprach über das Thema „Interventionsmöglichkeiten zur Förderung von Frauen in Führungspositionen“.
In seinem engagierten Vortrag betonte er zunächst (zur Freude aller anwesenden weiblichen Zuhörer), dass Frauenförderung ihm ein Herzensanliegen ist. Er zeigte anhand von wissenschaftlichen Untersuchungen auf, inwieweit sich der Führungsstil von Frauen von dem von Männern unterscheidet und beschrieb z.B. den „transformationalen“, aber auch androgynen Führungsstil (mit weiblichen und männlichen Anteilen).
Als Antwort auf die Frage, wie man Frauen mehr fördern könnte, nannte er eine Reihe von Ansätzen aus verschiedenen Organisationen und Ländern, die unterschiedlich wirksam sind. Anschließend bat er die Zuhörer und Zuhörerinnen um Vorschläge und Ideen.
Diplom-Psychologin Madeleine Leitner referierte über das Thema „Wenn der Vater unerreichbar scheint – Bremsen erfolgreiche Väter ihre Söhne oder profitiert der Nachkomme vom Vorbild?“
In einem geschichtlichen Rückblick stellte sie Vater-Sohn-Paare aus verschiedenen Bereichen, z.B. Politik, Kunst, Industrie (auch mit Bildern) vor und zeigte verschiedene Beziehungsmuster zwischen den beiden Generationen auf. Dabei beschäftigte sie sich mit dem Thema Familienunternehmen und Übergabe der Unternehmensleitung vom Vater an den Sohn. Die anschließende Diskussion kreiste u.a. um das Thema, inwieweit die Emanzipation mehr Väter beeinflusste, Unternehmen an ihre Töchter weiterzugeben. Hier gibt es sowohl in der Geschichte als auch in der jetzigen Gesellschaft weit weniger Beispiele.
Diplom-Psychologin Angelika Wagner-Link sprach anschließend über das Thema „Gesundheit und Krankheit von Männern und Frauen“.
Sie unterlegte Ihren Vortrag mit einer Reihe von Statistischen Erhebungen über Häufigkeit und Dauer von bestimmten (auch psychischen) Krankheiten. Im nächsten Schritt wurden die Ursachen für diese Unterschiede vorgestellt, z.B. unterschiedliche Biologie und Sozialisation, aber auch Lebensstil und Gesundheitsbewusstsein von Männern und Frauen. Anschließend stellte sie Schutzfaktoren zur Verhinderung und Prävention von Krankheiten vor und betonte dabei die sehr wichtige Rolle von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten.
Diplom-Psychologin Heike Mänz und Diplom-Psychologe Gabor Rossmann referierten über das Thema „Mars und Venus: Das Universum der Geschlechterparadoxien“.
Sie erläuterten die inhaltliche Grundlage ihrer Arbeit als Berater von Organisationen, das „Gender mainstreaming“, d.h. ein auf Gleichstellung der Geschlechter ausgerichtetes Wahrnehmen, Denken und Handeln. Unter dem Aspekt der der Gleichheits-Perspektive stellten sie z.B. die Ergebnisse von Meta-Analysen zu Geschlechterdifferenzen dar. Diese zeigten, dass signifikante Geschlechterdifferenzen lediglich in drei Bereichen gefunden wurden. Dementsprechend ergibt sich ihre Forderung nach angemessener Repräsentation von Frauen und Männern in Gruppierungen und gleichem Zugang zu Ressourcen. Neben der Perspektive der Gleichheit stellten sie weiterhin die der Differenz, Vielfalt und Rekonstruktion vor, aus deren Sicht ebenfalls bestimmte Forderungen zu erheben sind. Bei der Betrachtung des Gender mainstreaming in Organisationen sollten jeweils die genannten 4 Perspektiven untersucht werden, um dann dementsprechend Veränderungen anzusetzen.
Die Diskussionen der etwa 50 Zuhörerinnen und Zuhörer waren temperamentvoll und intensiv. Sie zeigten das große Interesse an dem Thema und den hohen Stellenwert, den es auch bei Diplom-Psychologinnen und Psychologen hat.
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